Text: Markus Zeidler; Fotos: Stiftung Attl
Bleischwerer Dieselqualm durchtränkt die Luft, ein metallisch nagelndes Geräusch wird lauter; Scheinwerferlichter kreisen nervös über den Köpfen des Publikums, blaue Lichtblitze zucken durch die aufgeheizte Atmosphäre. Sämtliche Blicke recken sich neugierig in Richtung einer Schneise, die sich langsam inmitten der Zuschauermenge bildet. Es ist ein knatternder Bulldog-Dinosaurier der Marke Eicher, Baujahr '54, der sich hustend seinen Weg durch das ausverkaufte Attler Festzelt in Richtung Bühne bahnt. Sein Lenker: Stefan Dettl. Der Mann aus Grassau hat sein Publikum bereits fest im Griff, noch ehe er mit seinen Schuh- und Strumpf-freien Füssen ans Mikro tritt und dort etwas brachial Urbayrisches in die Welt hinausbrüllt. Und schliesslich zur Trompete greift.
Es ist der Auftakt zu einem furiosen Konzert-Kracher, einem Ereignis, das in seiner ganzen mitreissenden Intensität vom ersten Augenblick an nach Stadion klingt – und nicht nach dem Kirmeszelt, in dem es stattfindet. Die Symbiose aus LaBrassBanda und Musikern aus Dettl's Soloprojekt entfesselt eine Energie, die Ihresgleichen sucht: Blechmusik trifft auf Funk, Rock und Techno, bayrische Mundart auf wummernde Bässe und kreischende elektrische Gitarren. Das musikalische Brett wird den Zuhörern in den folgenden zwei Stunden um die Ohren gehauen, bis nichts mehr davon übrig ist. Ohne Verschnaufpause gehen die „Rockstars“ „Nackert“ auf die „Autobahn“, direkt hinein in den „Summer of love“. Dass eine Jury ebendiese Band noch vor einigen Monaten mit nur einem einzigen Wertungspunkt beim Vorentscheid des Eurovision Song Contest denunzierte, wird mit jedem Ton, jedem Akkord unfassbarer.
Stefan Dettl ist die treibende, alles dominierende Kraft dieses Abends. Der Neo-Hippie vom Chiemsee singt und entertaint sich die Seele aus dem Leib, als wäre es der letzte Auftritt seines Lebens. Mit schier unbändiger Dynamik lenkt er das monströse Sound-Schlachtschiff in seinem Rücken durch die Setlist, animiert sich und seine Mitstreiter immer wieder munter zu ausufernden Improvisationen und reibt sich dabei auf bis zum letzten Hemd. Einmal duscht er seinen Bassisten mit einer Flasche Bier. Stefan ist eine Rampensau, ein Berseker, dem es - obwohl man nur selten wirklich versteht was er gerade sagt – mühelos und mit entwaffnendem Selbstverständnis gelingt, jeden einzelnen der Anwesenden vollständig für sich und seine Show zu vereinnahmen. Dettl rockt, Attl brennt.
Es ist ein denkwürdiger Konzertabend, ein raumgreifendes Erlebnis, das vielmehr Party ist als reine musikalische Darbietung. In dessen Verlauf sich für viele Besucher eine neue Dimension von bayrischer Blasmusik erschliessen dürfte. Und an dessen Ende Stefan Dettl, LaBrassBanda und das Attler ABM-Orchester, das den Abend als Vorband eröffnete, spontan gemeinsam spielen. Selten hat man nach dem Ende der Les Humphrie's Singers eine ähnlich umfängliche und bunte Konstellation gleichzeitig auf einer Bühne musizieren sehen.
Und zu guter Letzt ist es ein Konzert, an dessen Ende in den späten Nachtstunden des 14. September 2013 die Sportfreunde Attl noch nicht wissen werden, dass sie mit Stefan Dettl schon in wenigen Wochen sehr viel mehr zu tun haben werden, als sich “nur“ von seiner unglaublichen Performance mitreissen zu lassen...
Bilder vom Konzert in der Stiftung Attl: