25. Februar 2012: Hindernislauf "No Guts, No Glory", Oberpfalz

No Guts No Glory
No Guts No Glory

Text: Markus Zeidler;  Fotos: sportograf, Sportfreunde Attl 

 

 

Im Schlamm robben, durch hüfthohen Eiswasser waten, unter Klettergerüsten hangeln und etagenhohe Hindernisse überwinden: Was ehemalige Zivildienstleistende wie ich nur aus den Drill- und Ausbildungsszenen reisserischer Hollywood-Actioner kennen, wird beim Military-Hindernislauf auf dem Gelände des oberpfälzischen Gut Matheshof zur rauen Wirklichkeit: "NO GUTS, NO GLORY" - Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Zusammen mit ein paar Attler Sportfreunden habe ich mir diese Herausforderung als ganz besondere Trainingseinheit für die bevorstehende Adria-Alpen-Attl-Tour 2012 ausgesucht. Und muss dabei feststellen: Nicht-Masochichten haben dort schlechte Karten. Und: Wo ein Wille ist, gibts noch lange keinen Weg!

 

Der Tag beginnt wie ein Ausflug in den Vergnügungspark: Bereits um neun Uhr morgens und nach weniger als zwanzig Kilometern Autofahrt fallen die Sportfreunde Martin, Roland und Simon wie Heuschrecken über den vorsorglich mitgeführten Bierkasten her. Lautstark prosten sie mir aus dem rückwärtigen Teil des Kleintransporters zu, um auf den bevorstehenden Tag zu trinken. Simone neben mir und Aushilfs-Amazone Maggie hinter mir fügen sich nahtlos in das aufgeregte Wettkampf-Vorglühen ein. Ehe ich michs versehe, halte auch ich ein kaltes 0,33er in der Hand und habe eine Likörchen-Ampulle zwischen den Zähnen klemmen - dabei sitze ich am Steuer.

No Guts No Glory
Waden aus Stahl: mit Edding-Tätowierung aufs oberpfälzische Schlachtfeld

Ob der Anlass unserer Reise in einen der wildesten und verwegensten Winkel der Bundesrepublik - die Oberpfalz - ebenso vergnüglich sein wird wie die Anreise, wage ich im Moment noch zu bezweifeln. Wir werden an einem Laufwettbewerb über einen Hindernisparcour teilnehmen - so einem, der normalerweise Military-Reitern und ihren vierbeinigen Arbeitsgeräten vorbehalten ist. Die Aussentemperaturen sind für Februar zugegeben nicht unangenehm. Vor einer Woche hatte es aber noch zwanzig Grad minus; Bäche und Tümpel sind noch immer dick vereist, und an den Gedanken, mich heute noch in leichter Laufmontur ins Wasser stürzen zu müssen, muss ich mich erst noch langsam heranführen. Zur Not mit einem weiteren Bierchen. Wer genau eigentlich die Idee zu der Teilnahme an dieser bestimmt peinvollen Veranstaltung hatte, weiss ich nicht mehr - es gibt aber Tendenzen, die diesen Impuls klar in die Nähe meiner Person rücken. 

 

Die Sportfreunde beim Hindernis-Test:


... und später, im Ernstfall:

 

Hauptsache, man hat Spass dabei!" sagt einer der Teilnehmer kurz vor dem Start zu mir. Mit Thüringer Akzent und mechanisch nach oben gezogenen Mundwinkeln. Der Kerl trägt einen Flat-Top-Haarschnitt und sieht überhaupt nicht so aus, als empfinde er bei irgendetwas jemals Spass. Ein Schriftzug auf seinem Laufhemd verkündet, dass er "dort weitermache, wo andere aufhören". Ich hingegen will erst einmal anfangen, denn so langsam wirds frisch ohne Bewegung. Simone hat Lose mit den Reihenfolgenummern der Vierer-Staffel verteilt. Ich muss später als Zweiter durch die matschbraune Hölle.

Aber zuerst einmal sind die beiden Mädels dran - auf dem "Chicken Run", der sich unter anderem durch eine denkbar unpassende, weil maximal verniedlichende Namensgebung auszeichnet: der Rundkurs ist länger als der der Staffel, und die Hindernisse im Wesentliche identisch zu denen der grösseren "Strecken-Brüder". Simone und Maggie starten mit schwarzer Kriegsbemalung im Gesicht, der Schlachtruf der Veranstaltung prangt in dicker Edding-Tätowierung von ihren Waden. Jemand startet mit Badehose und Zipfelmütze. Als die beiden "Hühner" nach einer Dreiviertelstunde Quälerei wieder zurück über der Ziellinie sind, sehen sie aus wie panierte Schnitzel, und ihre zerschundenen Beine erwecken den Eindruck, eine kurze, aber aufreibende Begegnung mit einem sehr grossen Raubtier gehabt zu haben. Sie lachen trotzdem - erstens weil sie die Tortur im Gegensatz zu uns schon hinter sich haben, und zweitens weil sie den jeweils 3. Platz ihrer Altersklassen im Gepäck haben!

 

No Guts No Glory
Frisch panierte Amazonen: Maggie und Simone kurz nach dem Zieleinlauf

Ich mache mich warm, auch wenn ich weiss dass die erste Abkühlung nicht lange auf sich warten lassen wird. Roland startet als Erster mit der Staffel durch. Nur 28 Minuten später ist er wieder hier. An seinem Schienbein klafft eine dicke Platzwunde. Er habe zwischenzeitlich seinen linken Schuh im Morast verloren, meint er keuchend und drückt mir das Staffel-Armband in die Hand, deswegen habe er seinen Vordermann laufen lassen müssen und sei Dritter. Alles klar. Ich spurte los, über schlammige Wiesen, durch das Dickicht des Waldes, über querliegende Baumstämme. Wegen der einsetzenden Dunkelheit erkenne ich in den Waldstücken so gut wie kaum wohin ich eigentlich laufe, spüre nur die peitschenden Zweige in meinen Gesicht und wie Dornenbüsche die Haut von meinen Gliedmaßen reissen. Ich arbeite mich über Fussfallen, Wassergräben und sperrige Holzwände hinweg, und da sehe ich auch schon Nummer Zwei vor mir. Ich glaube es ist der Spass-Flat-Top. Ich lecke Blut. Meine geplante Taktik, den Mann meinen Atem im Genick spüren zu lassen und dadurch dessen Psyche zu zermürben, scheint vielversprechend, scheitert aber letztendlich daran, dass ich nach etwa einem Drittel des vier Kilometer langen Parcours ausserplanmässig mit dem Fuss umknicke. Fluchend rappele ich mich wieder auf. Offenbar ist nichts gebrochen, an Laufen ist allerdings nicht mehr zu denken. Also stolpere ich weiter, bewältige den Rest der Strecke mit pochendem Fussgelenk und zusammengebissenen Zähnen, lande aber schliesslich immerhin noch als Vierter im Ziel. Nun ist Martin an der Reihe. Ohnehin nicht mit den lichtstärksten Augen gesegnet, legt er den Rundkurs in der Dunkelheit und mit vor Kälte beschlagener Brille praktisch blind zurück. Als er dreckig und klitschnass wieder zurück in die Halle des Gut Matheshof torkelt, sieht er aus als habe er gerade den sechstägigen "Jungle Marathon" am Amazonas gefinished.

 

All dies hat jedoch nichts damit zu tun, dass unsere Staffel die Treppchenplätze um gerade einmal drei Minuten verpasst: Aufgrund einer irreführenden Wegmarkierung gelingt es Martin und mir, jeweils mehrere hundert Meter Umweg zu laufen - die daraus resultierende Viert-Platzierung kann dann leider auch Simon mit der schnellsten Rundenzeit der Gruppe nicht mehr ausbügeln. Aber egal: die Sportfreunde Attl haben einmal mehr Kampfgeist, Bissfestigkeit und somit ihre Eignung für die bevorstehende Alpenüberquerung im Mai bewiesen. Und: dass sie manchmal echte Masochisten sein können!

 

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