Jedes Jahr tun es Hunderttausende auf der ganzen Welt. In den Neunzigern Joschka Fischer, später ein hundertjähriger Inder namens Fauja Singh, erst kürzlich Pamela Anderson und nun auch die Sportfreunde Attl: einen Marathon laufen.
Eine Distanz von 42,195 Kilometer durchgehend laufend* absolvieren: eine solche Leistung haben unter den Sporties bisher nur Roland und Stefan vollbracht. Mehr als einmal sogar, und das noch dazu mit beachtlichen Bestzeiten von 3:16:40 bzw. 3:15:44. Alle anderen müssen nicht nur als Marathon-Novizen, sondern teilweise sogar fast noch als Laufsport-Neulinge im ganz Allgemeinen bezeichnet werden, wenn sie am 13. April 2014 beim 31ten Vienna-City-Marathon, kurz VCM, an den Start gehen. Irgendjemand brachte etwa ein halbes Jahr zuvor den Vorschlag, dass so ein Marathon im Prinzip leicht nebenher zu absolvieren sei, wenn man sich doch ohnehin für ein kurze Zeit danach stattfindendes Projekt vorbereite, bei dem man an sieben aufeinander folgenden Tagen und Nächten jeweils eine vergleichbare Distanz zurücklegen müsse. Da ist natürlich was dran…
Sich auf einen Marathon vorzubereiten bedeutet nicht nur monatelange harte Arbeit – sondern oft auch das Gegenteil von Spass. Und wenn am Ende des Tages nicht nur das Ziel steht, einmal etwas mehr als 42 Kilometer zu laufen, sondern kurz darauf auch satte 168 Stunden zu überstehen, wird die Sache nicht unbedingt bequemer. Wer jemals das fragwürdige Vergnügen hatte, die Entwicklungshölle vom Nicht- bis hin zum Ultraläufer zu durchschreiten, weiss was Quälerei bedeutet. Es erstmals im Leben zu schaffen, eine ganze Stunde am Stück zu laufen, irgendwann dann zwei, später drei und vielleicht sogar vier. Man stirbt nach jedem Kilometer, mit dem man bis dato bekannte Grenzen überschritten hat, einen neuen Tod. Und ersteht wieder auf, macht weiter, immer wieder. Manchmal kommt man nach Hause, schafft es nach aufwendiger Mobilisierung tief verborgener Reserven gerade so eben noch die Treppe hoch und rollt sich dann zitternd auf der Couch zusammen. Und stellt dort fest, dass man plötzlich einen einzigen, ganz dringenden Wunsch verspürt: Kotzen!
Finden Marathon und Ultralauf im Frühjahr statt, erarbeitet man sich seine nötige Grundlagenausdauer zudem zwangsläufig unter erschwerten Bedingungen: im Winter, in ständiger Begleitung von Dunkelheit, Kälte und Einsamkeit. Es ist die pure Tristesse: Man schnürt seine Laufschuhe, schlüpft in mehrere Lagen dünner und hinsichtlich der Temperaturen lächerlich unzulängliche Nylonpelle und stapft mit ein paar glitzernden Reflektoren an den Beinen hinaus in eine Welt aus reizloser Finsternis. Man verdingt sich seinen Zugewinn an Kondition in einem langen, abwechslungslosen Akt der trabenden Fortbewegung, und die oft einzige Begegnung mit einem anderen menschlichen Wesen während einer langen winterlichen Trainingseinheit auf dem Inndamm zeichnet sich durch eine kurze, bizarre Aneinanderreihung von Schreckreflexen aus, weil keiner der Beteiligten seine Stirnlampe eingeschaltet hat und unerwartet aus seinem kleinen gedankenversunkenen Universum herausgerissen wird.
Das Laufband im Fitnessstudio ist leider auch keine Option mit Mehrwert an Attraktivität: In einer Neonlicht-durchfluteten, sauerstoffarmen und nach Schweiss müffelnden Halle zu joggen, ohne dabei je auch nur einen einzigen Meter gutzumachen und stattdessen unvermeidlich auf schwerfällig schnaufende, bemitleidenswert deformiert wirkende Anabolika-Junkies zu starren, ist eine Angelegenheit an die man sich wohl niemals wirklich gewöhnen wird.
Aber sei's drum: einen Marathon zu laufen ist der Inbegriff sportlicher Disziplin und Zielstrebigkeit, das leuchtende Symbol des ewigen Kampfes gegen sich und seinen inneren Schweinehund und zweifellos eines der eintausend Dinge, die man als Sportler unbedingt mal im Leben gemacht haben sollte, bevor man das Zeitliche segnet. Eine Sache also, für die sich ein wenig Leiden durchaus lohnt.
Was die Sportfreunde betrifft, so haben sie dieses Erfordernis wohl mehr als erfüllt.
Simone, Markus, Martin, Marco, Stefan, Roland und Flo sind bester Dinge, ihre individuellen Ziele bei dieser
42,195 Kilometer langen Herausforderung zu erreichen. Ob einfach nur laufend auf dem Heldenplatz in Wien ankommen, eine bisherige Bestzeit zu pulverisieren - oder Pamela Anderson auszustechen, wenn auch nicht in der Silikonwertung...
*Anmerkung:
Ja, richtig: wer dier Sportfreunde kennt oder zumindest hin und wieder auf dieser Seite unterwegs ist weiss, dass einige von ihnen schon wesentlich längere Distanzen als 42,195 Kilometer zurückgelegt haben. Aber eben nicht am Stück, wie zum Beispiel bei mehreren 24h-Läufen seit 2011, wo sie entweder als Staffellläufer unterwegs waren oder als Solo-Läufer zwischen Laufen und Marschieren wechselten. Und bei der Adria Alpen Attl Tour 2012 sind sie nicht gelaufen, sondern marschiert. Eine Marathondistanz an einem Stück zu bewältigen, ist also für fast alle Sporties eine völlig neue Herausforderung!