Sieben auf einen Streich - oder:
ein 42,195km langer Laufsteg!
Text: Simone Grönheit
Man sollte meinen, wenn man tausende Kilometer zu Fuß
durch Länder marschiert ist, eine 24h-Lauf solo mit dem 3. Platz gefinished und ein Projekt wie „168h-Chiemsee boahart!“ vor sich hat, dann gibt es in der Läuferszene nicht mehr viel, was einem
Respekt einflößt. Falsch!
Mal unter uns Frauen: sich an einen Marathon heranzuwagen ist schon mutig; sich dieser Herausforderung jedoch in einer Gruppe zusammen mit sechs Männern zu stellen, schon fast ein auswegloses Unterfangen.
Eine Meute, hungrig nach dem ultimativen Lauf. Die Königsdisziplin, der Marathon. Einem der Dinge, die „Mann“ im Leben getan haben muss! Da ich meinen Sportfreunden weder bei den angestrebten Zeiten, noch bei den bis hin zur Doktorarbeit verwendbaren, strategischen Vorbereitungen das Wasser reichen kann, habe ich mir meine eigene Marathon- Strategie erarbeitet. Keine Tabellen mit akribisch geplanten Zwischenzeiten. Keine Kohlehydrate- Experimente. Keine „mit-welchem-Tape-klebe-ich-mir-die-Brustwarzen-ab?“ Selbstversuche.
Nein: ich habe mir eine passende Mütze zum Lauf-Outfit gehäkelt, die Schuhe farblich abgestimmt und – auch wenn´s keiner sieht - die Zehennägel passend lackiert. Die Zielzeit die ich mir gesetzt habe, lässt mir Zeit zum Schauen und Genießen. Alles unter fünf Stunden wäre okay. Pamela Anderson hat bei ihrem ersten Marathon in New York gut 5h:21min benötigt, und das gilt es zu unterbieten! Durchlaufen ohne dabei am Streckenrand zusammenzubrechen – mein perfekter Plan. Denn eines weiß ich: ich kann zwar nicht schnell, aber dafür sehr lange. Und sind wir doch mal ehrlich - wie oft hat man schon die Möglichkeit auf den Straßen Wiens zu laufen, ohne von einer Straßenbahn überrollt zu werden? Wann wird für einen schon mal die österreichische Hauptstadt komplett verkehrslahm gelegt - außer in den Sissi Filmen? Wie oft säumen tausende Menschen deinen Weg und brasilianische Trommler, Bands und Moderatoren feuern dich an und geben dir das Gefühl, nur für dich da zu sein? Kinder, die darauf warten, dass du im Vorbeilaufen ihre Hände abklatscht. Ein laufender Mozart, der dir keck zuzwinkert.
Es ist eine Wahnsinns-Kulisse, eine Bühne – nein, es ist meine Bühne. Und jeder quälende Schritt, jeder schmerzende Muskel ist in dem Moment vergessen, als die Zielgerade ins Blickfeld kommt. 200 Meter blauer Teppich, der auf direktem Weg zum Wiener Heldenplatz führt. 200 Meter blauer Teppich, der einem sagt: „Du hast es geschafft“! 42,195 km, die dir niemand mehr nehmen kann und die du niemals mehr vergessen wirst. Mein erster Marathon! Ich weiß nicht ob ich mir das ein zweites Mal antue. Es bedeutet so viel Verzicht und so viel Plagerei. Doch ganz ehrlich, Mädels: so alleine in einem Rudel hungriger Wölfe mitzulaufen hat auch Vorteile. Man kann seinem eigenen Instinkt folgen, seinen eigenen Weg gehen und hat doch am Ende gemeinsam „Beute“ gemacht. Sieben stolze Finisher auf einen Streich! Danke Jungs!
Und das Beste: Bei allen Sportfreunden ist am Schluss sogar noch genügend „Reserve“ vorhanden, um Wien auch noch bei Nacht kennenzulernen. Unter uns allen herrscht an diesem Abend eine Freude, die so pur ist, dass sie ansteckt. Und es ist tatsächlich egal, ob einer Erster wird oder jenseits von Platz 5000 ins Ziel kommt. Man kann es sehen, hören, man kann es irgendwie sogar fühlen: dieses Glück, es geschafft zu haben.